Bahn-Express

Getreidemühle Collipulli, Chile

(Wo liegt Collipulli???)

30.10.2001/ HAM/ Diese Getreidemühle beschaffte 1901 eine gebrauchte, elektrische Rangierlokomotive, die AEG Berlin kurz zuvor an eine andere Getreidemühle gelieferte hatte, die dort aber nur kurz oder eventuell auch gar nicht zum Einsatz kam. Der Käufer war die Cia Molinera el Globo (Globe Mill Co.), ein großer Getreidekonzern im Süden Chiles. Die Maschine wird in Collipilli eingesetzt, ein landwirtschaftlich geprägtes Gebiet in der Mitte von Chile, um hier Waggons beladen mit Getreide von der Bahnstation der Chilenischen Staatsbahn zur Mühle zu bringen. Die Lok nutzte dabei etwa 1,5 km der Staatsbahnstrecke (Spurweite 1.676 mm), das Gleis der Mühle selbst war nur etwa 50 m lang. Die Mühle verfügte über einen eigenen Generator, der die Plantagen, die Werkbahn und ein paar öffentliche Gebäude mit Strom versorgte. Die Werkbahn hatte Strommasten aus Holz, an denen das Oberleitungskabel aufgehängt wurde. Zuletzt bestand der Betrieb der Lok darin, einen beladenen Waggon (Drehgestell-Wagen im amerikanischen Stil der 30er Jahre) zur Entladestation zu bringen und diesen nach dem Entleeren wieder zurück zur Station zu ziehen. Ein zu entladender Zug hatte bis zu etwa 100 Waggons.

In 1984 erreichte die Elektrifizierung der Chilenischen Staatsbahn vom Süden her den Ort Collipulli. Die Getreidemühle mußte damit die eigene Oberleitung auf der Staatsbahnstrecke aufgeben, denn das elektrische System der Staatsbahn (1.500 V Gleichstrom) wich von dem eigenen Stromsystem (450 V) ab. Die Lok wurde in einem kleinen Schuppen abgestellt und hier steht sie, 100 Jahre alt (!), noch heute in einem leidlich guten Zustand. Lediglich ein paar wenige Teile fehlen.

Eine offene Frage gibt es allerdings noch: Der Betrieb wurde 1901 aufgenommen, eine offizielle Genehmigung zum Betrieb der Werkbahn liegt aber erst aus dem Jahre 1915 vor. Ob die Bahn davor "wild" ohne Erlaubnis betrieben wurde oder ob es bis 1915 noch keine Regelung für den Betrieb solcher Werkbahnen gab, ist noch nicht geklärt. Ausserdem konnte bisher die Fabriknummer dieses Fahrzeugs nicht in Erfahrung gebracht werden, da die AEG-Lieferliste (hier das erste Lieferbuch) nicht bekannt ist.


Getreidemühle Collipulli: Die alte AEG-Elok. (Aufnahme: Harold A. Middleton)

 

Militärbahn Puente Alto - El Volcán, Chile

(Wo liegt Puente Alto???)

04.11.2000/ HAM/ Die bei Jung Jungenthal in Kirchen an der Sieg unter der Fabriknummer 1306 gebaute C1t-Dampflok (160 PS, 17,1 t) wurde laut Lieferbuch am 10. Januar 1909 an Arthur Koppel geliefert. Laut der Literatur soll sie an die Otavibahn in Südafrika gegangen sein, dies ist jedoch zu bezweifeln. Denn die Lok kam 1909 zum ersten mal auf der ca. 20 km langen Strecke zwischen Puente Alto und El Manzano in Chile zum Einsatz!

Bei Santiago de Chile wurde Anfang des 20sten Jahrhunderts mit dem Bau einer Eisenbahn zum 62 km entfernten El Volcán zum Transport von Kalksteinen begonnen. Die Spurweite betrug 600 mm. Mit der Eröffnung der ersten Teilstrecke übernahm die Chilenische Regierung die Bahn, um diese für militärische Ausbildungen zu nutzen. Die Bahn wurde nun vom Militär betrieben und gewartet. Dazu gehörten sieben Lokomotiven mit einem Gewicht zwischen 16 und 24 Tonnen. Die markanteste Maschine war eine CC-Kitson-Meyer-Lok, die O&K 1927 unter Fabriknummer 11350 lieferte. Die Bahn bekam eine große Bedeutung für den Personentransport der vielen Bahnstationen entlang der Linie. Zum einen für Pendler zwischen dem Umland und der Hauptstadt Santiago, aber auch für Touristen und Ausflügler, die am Wochenende in die beeindruckende Landschaft im Süden Santiago de Chile reisten. Die Bahn transportierte so mehr Personen als Güter.

Die Jung FNr. 1306 war bis 1957 im Einsatz. 1970 stellte man sie als Denkmal am Eingang der Kaserne in Puente Alto auf. Hier steht diese Lok auch heute noch und kann - unter den wachsammen Augen der Soldaten - fotografiert werden. Die Dampflok wird von den Militärs weiterhin gepflegt und erhalten, der Zustand ist deshalb sehr gut. Eine weitgehend baugleiche Jung-Lok ist übrigens in Pastene, Chile, erhalten geblieben - mehr dazu weiter unten!


Militärbahn in Puente Alto: Jung 1306 steht heute als Denkmal bei
der Kaserne in Puente Alto. (Aufnahme: Harold A. Middleton)

Die Bahnlinie erlebte aber auch nach der Ausmusterung der Jung FNr. 1306 nochmals den Einsatz von "Jung´s", denn 1976 lieferte Jung vier Diesellokomotiven für die Chilenische Armee unter der Fabriknummer 14242 bis 14245. Es waren dies die letzten bei Jung gebauten Diesellokomotiven, denn es folgten bis 1987 lediglich Druckluft-Lokomotiven für den Bergbau! Je zwei der als Typ LC 24 bezeichneten Loks konnten als Doppellokomotiven gekuppelt werden. Nur fünf Jahre lang waren sie im Einsatz, 1981 wurde die Bahn eingestellt und die Gleise in den 80er Jahren abgetragen. Die vier Jung-Diesellokomotiven stehen heute noch auf einem Gleis in der Kaserne in Puente Alto.


Militärbahn in Puente Alto: Seit 20 Jahren stehen die letzten bei Jung gebauten
Diesellokomotiven abgestellt in Puente Alto. (Aufnahme: Olaf Götz, 1999)

 

Saboya - Capitán Pastene, Chile

(Wo liegt Capitán Pastene???)

04.11.2000/ HAM/ In Chile sind gleich zwei fast baugleiche Jung-C1t-Dampflokomotiven erhalten geblieben. Neben der oben beschriebenen FNr. 1306 ist auch die laut Lieferbuch am 7. August 1913 an die Chilenische Staatsbahn gelieferte FNr. 2034 erhalten geblieben. Diese Maschine soll laut den Jung-Unterlagen eine Leistung von 150 PS erbracht haben bei einem Dienstgewicht von 17 t. Eingesetzt wurde die Lok auf der Strecke Saboya - Capitán Pastene.

Die Geschichte dieser Bahn und der Lok selbst ist sehr interessant. Ursprünglich war geplant, im Süden von Chile eine Kolonie zu errichten, um hier die Anfang des 20sten Jahrhunderts zu hunderten in Chile eingewanderten Immigranten aus Europa anzusiedeln. Etwa 100 Familien aus Norditalien sollten im Gebiet von Traiguén 600 km südlich von der Hauptstadt Santiago de Chile eine neue Heimat finden. Eine private Gesellschaft erhielt die Konzession für dieses Unternehmen und 1905 wurde der Ort Capitán Pastene gegründet. Die Gesellschaft löste sich allerdings wenige Jahre später wegen undurchsichtiger Finanz- und Verwaltungslage in Luft auf...

Laut Vertrag war der Bau einer Bahnlinie von der Chilenischen Staatsbahn aus nach Capitán Pastene vereinbart. Zwar begann die Gesellschaft mit dem Bau, jedoch musste die Chilenische Regierung die erste 22 km lange Teilstrecke von Saboya nach Lumaco fertigstellen. Sie wurde 1914 eröffnet, in Saboya (ein italienischer Ortsname) war neben der Werkstatt mit Drehscheibe etc. auch die Verladestation von der Staatsbahn (1.676 mm Spurweite) auf die neue Schmalspurbahn mit 600 mm Spurweite. Das zweite 15 km lange Teilstück bis Capitán Pastene konnte 1922 fertiggestellt werden, im Vergleich zur ersten, durch flaches Gelände führende Strecke war der zweite Abschnitt durch die Topographie wesentlich aufwendiger. Zum Teil verlief die Bahn auf einem 10 m über dem Fluß Lumaco errichteten Steg durch das enge Tal.

Die Bahnlinie wurde von der staatlichen EFE betrieben, die u.a. auch die Linien Puente Alto - El Volcán, Linares - Panimávida, Pinto - Recinto und Ancún - Castro betrieb. Da zwischen diesen 600 mm-Bahnen öfters die Lokomotiven getauscht wurden, ist eine genaue Auflistung der eingesetzten Maschinen schwierig.

Die Bahn nach Capitán Pastene erzielte nie einen Gewinn, die laufenden Kosten lagen meist 10 % über den Einahmen. Dennoch wurde der Betrieb zur Versorgung der Siedler aufrecht gehalten. Erst in den 60er Jahren entschied die Chilenische Regierung, die Bahnlinie aufgrund der hohen Kosten zu schliessen. Ein Teil der Bahn sollte vom Militär in El Volcán weiterverwendet werden, aber die meisten Maschinen und Wagen waren in einem derart schlechten Zustand, so dass nur eine Verschrottung in Frage kam. Die Jung 2034, die erste hier eingesetzte Dampflok, hingegen wurde zusammen mit zwei Personenwagen nach Peņalolén (Wo liegt Peņalolén???) in der Nähe von Santiago de Chile abtransportiert.

Vor einigen Jahren gelang es einigen Privatleute aus Pastene, den Zug vom Militär zurück zu erweben, damit kehrte die Lok samt Wagen wieder zurück nach Capitán Pastene. Hier steht die Maschine auch heute noch.


Die Jung von Capitán Pastene: Als Erinnerung an die Bahn von Saboya nach Capitán Pastene
steht im ehemaligen Endpunkt die Jung FNr. 2034 als Denkmal. (Aufnahme: Harold A. Middleton)

 


© Exkursionsmeldung von Harold A. Middleton