Bahn-ExpressSteinbruch- und Bergwerksbahnen zwischen Osterwald und Ith

Die Steinbruchbahn des Kalkwerkes Osterwald, 31020 Salzhemmendorf-Osterwald

Die Pferdebahn der Firma Alves & Co.

Wie die anderen Steinbruchbesitzer hatte auch Heinrich Alves zunächst die Steintransporte mit dem Pferdefuhrwerk durchzuführen, was recht umständlich war, da die Transporte durch den Flecken Salzhemmendorf gingen. Zudem verursachte der umfangreiche Fuhrbetrieb enorme Straßenschäden. Das änderte sich erst, als sich Alves entschloß, einen Steinbruch auf Hemmendorfer Seite zu erschließen, der nach dem Zusammenschluß beider Werke als Steinbruch II (oberer Bruch) bezeichnet wurde. Der Steinbruch I (der untere Bruch) gehörte dem Salzhemmendorfer Werk.

Die günstige Lage des Steinbruches ermöglichte die Anlegung einer Transportbahn, für deren Bau im Jahre 1884 die Genehmigung erteilt wurde. Gebaut wurde die Bahn in der für Steinbruchbahnen wenig gebräuchlichen Spurweite von 1000 mm. Es entstand eine trassenmäßig recht interessante Bahn. Sie führte vom Kalkwerk beim Bahnhof Osterwald zum Grünenplan (Gewannbezeichnung in der Feldmark Hemmendorf unterhalb des Steinbruches). Nach Verlassen des Kalkwerkes überbrückte die Bahn die Aue und führte auf einem stellenweise aus Kalksteinen aufgeschichteten Bahndamm durch die Saaleniederung um Oldendorf herum. Das Gleis folgte der Elze-Rintelner Chaussee (heutige B 1), kreuzte diese und überquerte dann die Saale. Am rechten Ufer stieg die Strecke zunächst langsam, danach aber sehr steil an, wandte sich dem Berghang zu und erreichte den Bremsberg, der die Fortsetzung der Bahn zum Steinbruch bildete.

Die vom Steinbruch herunterführende Bremsbahn verlief zunächst in nördliche Richtung, machte auf halben Weg eine Biegung und wandte sich in östliche Richtung, bis sie unterhalb des Bremsberges an die Pferdebahn anschloß. Für eine Bremsbahn war diese Streckenführung nicht gerade ideal. Deshalb entschlossen sich die Kalkwerke im Jahre 1890 die Bremsbahn umzubauen und geradlinig in nördliche Richtung zu führen. Für die Neuanlage dieser insgesamt 600 m langen Bremsbahn mußte ein Arbeiterwohnhaus abgerissen und am Wege nach Salzhemmendorf wieder aufgebaut werden.

Die für die Bremsbahn erlassenen Vorschriften, die im Wesentlichen auch für die nachfolgenden Bahnen galten, besagten u.a., daß die Bahn mit einer zuverlässigen Bremse versehen sein mußte. Der Standpunkt des Bremsers hatte möglichst so gelegen zu sein, daß er eine gute Übersicht über die gesamte Anlage hatte. Zudem war zur Verständigung zwischen unterem und oberem Ende des Bremsberges eine sicher wirkende Signalvorrichtung vorzusehen. Ferner wurde verlangt, daß die Verbindung der Wagen mit dem Förderseil so sicher sein mußte, daß ein selbsttätiges Lösen ausgeschlossen war. Jeder Wagen sollte mit einer selbsttätigen Fangbremse ausgerüstet werden. Derartige Bremsen sollten sich bereits anderenorts bewährt haben. Sie bestanden aus zwei mit Eisenschlitzen versehenen Hebeln, die mit dem Förderseil verbunden waren und beim Reißen des Seils sofort herunterfielen, um sich in die Oberbaubettung zu bohren.

Diese Forderung wurde nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen, weil beim Reißen des Seiles nur Materialschaden entstanden wäre. Zudem wurde das Seil - das 20 Jahre Sicherheit bot - einer ständigen Kontrolle unterzogen. Darüber hinaus bemerkte die Betriebsleitung der Kalkwerke, daß bei einem eventuellen Reißen des Seiles keine Bremse es vermocht hätte, den Wagen auf einer derart abschüssigen Strecke aufzuhalten. Statt dessen wollte man am unteren Ende der Bremsbahn eine Vorrichtung anbringen, die abrollende Wagen sicher aus dem Gleis werfen sollte.

Eine Personenbeförderung war auf Bremsbahnen ausgeschlossen, lediglich ein mit der regelmäßigen Untersuchung des Oberbaues betrauter Arbeiter durfte auf dem Förderwagen mitfahren.

 

Die Umstellung auf Lokomotivbetrieb

Da die Entfernung vom Grünenplan zum Kalkwerk recht groß war, muß sich der Pferdebetrieb schon bald als zu langsam erwiesen haben, denn schon 1886 tauchte der Plan auf, eine Lokomotive einzusetzen. Der Regierungspräsident in Hannover hatte aufgrund der Berechnung der Tragfähigkeit der Brücken die Genehmigung eines Lokomotivbetriebes unter der Bedingung erteilt, daß durch eine gute Querverbindung der eisernen Brückenträger die gleichmäßige Übertragung der Last sichergestellt werde. Daraufhin veranlaßte der Landrat des Kreises Hameln mit Schreiben vom 03.02.1887 die Kalkwerke, die erforderlichen Arbeiten in die Wege zu leiten.

Danach tat sich in dieser Richtung zunächst nichts. Erst 1891 wird der Gedanke eines Lokomotivbetriebes noch einmal aufgeworfen. Der Anlaß war aber ein ganz anderer. Da die Eisenbahnverbindung Voldagsen-Wispenstein, die später zwischen Voldagsen und Delligsen als Kleinbahn realisiert wurde, immer noch auf sich warten ließ, faßte das Kalkwerk Osterwald den kühnen Beschluß, die Steinbruchbahn vom Grünenplan bis Salzhemmendorf weiterzubauen und dieselbe mit Lokomotiven als Sekundärbahn zu betreiben. Dieser Vorschlag schien aber nicht zu befriedigen, zumal schon Jahre zuvor der Fabrikant F. Kuhlemann eine normalspurige Sekundärbahn von Voldagsen nach Salzhemmendorf anlegen wollte. Beide Vorhaben wären kein Ersatz für die Eisenbahn Voldagsen-Wispenstein gewesen, da sie nur den Belangen der Kalkwerke gedient hätten.

Dennoch ließ sich der Gedanke an den Einsatz einer Lokomotive nicht beseitigen. Das Landratsamt Hameln genehmigte den Einsatz einer Lok am 31.03.1900, und zwar zunächst für die Teilstrecke vom Kalkwerk bis zur Saalebrücke. Diese Beschränkung hatte ihren Grund darin, daß die Aue-Brücke schon durch zusätzliche Querverstrebungen die nötige Tragfähigkeit erhielt. Hingegen mußte für die Überquerung der Saale eine neue Brücke gebaut werden. Dies geschah dann auch in der Nähe der bisherigen Brücke, was eine entsprechende Gleisverbindung erforderte. Aus dem Schriftwechsel zwischen dem Landratsamt und dem Kalkwerk geht hervor, daß die alte Saale-Brücke mit dem zugehörigen Gleis bestehen bleiben sollte. Wenn die Brücke auch nicht von der Lok befahren werden konnte, sollte sie aber zum Überwechseln von Wagen beibehalten werden.

Am 20.10.1900 folgte die Genehmigung, den Lokomotivbetrieb bis zum Grünenplan auszudehnen. Damit entfiel der umständliche Wechsel von Pferden auf Lokomotive und umgekehrt, aber nun tauchten andere Schwierigkeiten auf. Mehrere Oldendorfer Landwirte erhoben Einspruch, weil sie den Fuhrwerksverkehr auf den neben der Bahn herführenden Wegen als gefährdet ansahen. Es kam bereits vor, daß die Pferde eines Gespannes beim Annähern der Lokomotive gescheut haben und durchgegangen sind bzw. unruhig wurden und nur mit Mühe am Durchgehen gehindert werden konnten. Der Gemeindevorsteher von Oldendorf war darauf aus, mit Hilfe eines Hamelner Rechtsanwaltes den Betrieb mit der Lok auf gerichtlichem Wege zu beseitigen. Er berief sich auf die bei der Abtretung von Grundstücken gemachte Bedingung, daß der Betrieb nur mit Pferden durchgeführt werden sollte.

Als in dieser Richtung der Erfolg ausblieb, versuchten die Gemeinden Oldendorf und Hemmendorf Entschädigungen für das Überfahren der Wege und Gräben zu bekommen. Oldendorf forderte eine jährliche Summe von je 100 M für jeden der von der Bahn gekreuzten 5 Koppelwege. Die Kalkwerke, die diese Forderung als zu hoch ansahen, erklärten sich aber bereit, der Gemeinde Oldendorf, die seinerzeit für die Genehmigung des Pferdebahnbetriebes jährlich 100 M oder 34 Wagen Steine erhalten hatte, für die Genehmigung des Lokomotivbetriebes den Betrag jährlich um 300 M zu erhöhen oder für je 100 M 34 Wagen Steine zu stellen.

Damit waren noch längst nicht alle Probleme beseitigt. An den Übergängen der Gemeinde-Koppelwege, wo bisher die Pferdebahn halten mußte, bis Fuhrwerke und Viehherden das Gleis gekreuzt haben, sollten nun auch die lokomotivbespannten Züge halten.

Kam ein Zug in die Nähe von Fuhrwerken, war die Fahrgeschwindigkeit zu verringern, damit der Zug zur Verhütung von Gefahren rechtzeitig zum Stehen kommen konnte. Beim Begegnen scheuender Tiere mußte angehalten werden und das Lokpersonal hatte zur Abwendung von Unfällen Hilfe zu leisten. Der Gebrauch der Dampfpfeife und das Öffnen der Zylinderhähne war auf das notwendigste Maß zu beschränken oder ganz zu vermeiden, wenn Fuhrwerke, Reiter oder Viehherden in die Nähe der Lok kamen.

 

Der Oberbau

Dieser bestand seit Anbeginn aus 6.5 km Gleis (einschließlich Nebengleise) mit 3 Links- und 3 Rechtsweichen. Verlegt waren 9 m lange Schienen mit 91 mm Profilhöhe und einem Metergewicht von 16 kg, die seinerzeit aus Dortmund bezogen wurden. Die Schienen lagen auf Querschwellen aus Eisen sowie aus Eichen- und Kiefernholz. Bei den Holzschwellen betrug der Abstand durchschnittlich 1 m von Mitte zu Mitte. Er war jedoch nicht gleichmäßig, so daß kleinere, aber auch nicht unerheblich größere Abstände vorkamen. Bis zum Jahr 1900 war ein Teil der Schwellen schon verfault, andere waren derart kurz bemessen, daß von der äußeren Seite der Schienen für die übliche Nagelung nicht genügend Holz vorhanden war. Die Befestigung der Schienen erfolgte durch einfache Nagelung ohne Unterlagplatten. Die teils schwebenden, teils ruhenden Schienenstöße lagen bei den einzelnen Schienen oftmals nicht rechtwinklig gegenüber.

Durchlässiges Bettungsmaterial wie Kies oder Kleinschlag kam kaum zur Anwendung. Vielmehr waren die Schwellen in Kohlenasche gebettet, die - aus den eigenen Kalköfen gewonnen - zwar ein billiger Bettungsstoff war, aber im Laufe der Zeit die Schwellen verschmutzte.

Dieser Oberbau, der in den erwähnten Übersichten hochtrabend als "für Sekundärbahnbetrieb eingerichtet" bezeichnet wurde, war für den Lokomotivbetrieb völlig unzureichend, zumal auch für seine Unterhaltung schon seit Jahren nichts mehr unternommen wurde. Ein weiteres Problem waren auch die engen Kurvenradien von nur 25 m, die zwar für den Pferdebetrieb ausreichten, nicht aber für das Befahren durch eine Lokomotive mit 1650 mm Achsstand. Zwar wollte man unter Berücksichtigung einer sachgemäßen Überhöhung und Spurerweiterung die Radien auf 75 m vergrößern, aber dieses Vorhaben scheiterte, weil die Anlieger den erforderlichen Grund und Boden nicht zur Verfügung stellen wollten. Die mit der Lok ausgeführten Probefahrten zeigten aber, daß die bisherigen Kurven noch befahren werden konnten, wenn an diesen Stellen die Geschwindigkeit von 15 km/h auf 6 km/h herabgesetzt wurde.

Als dann stärkere, vom Hörder Bergwerks- und Hüttenverein gelieferte Schienen eingebaut und zudem in den Kurven Unterlagplatten verwendet wurden, war die Gefahr gebannt, daß das Gleis durch die Maschine zerstört werden könnte; eine Entgleisungsgefahr war aber weiterhin nicht auszuschließen.

Auch die auf der übrigen Strecke liegenden schlechten Schwellen wurden ausgewechselt und größtenteils in einen gleichmäßigen Abstand von 1 m gebracht, in Kurven wurde der Abstand auf 75 cm festgesetzt. Ein Teil der alten Schienen, deren Stärke für den Achsdruck der Lok ausreichte, wurde beibehalten, lediglich die schwachen Laschen wurden durch stärkere ersetzt. Auch die bisher unzureichende Entwässerung des Gleiskörpers wurde nach und nach verbessert.

Die Gesamtlänge betrug ab 1915 8.8 km (mit 17 Links- un 14 Rechtsweichen), bis 1932 waren es 12 km Gleislänge, bedingt durch das verzweigte Gleisnetz auf dem Steinbruchgelände.

 

Bahnübergänge

Für den Lokomotivbetrieb waren an der Elze-Rintelner Chaussee und an der Kreisstraße Osterwald-Oldendorf besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, zumal letztere sehr unübersichtlich war und die Bahn aus Richtung Kalkwerk mit einem 450 m langen Gefälle von 1:35.5 auf die Landstraße zustieß. Vorgesehen war ein quer über dem Gleis angeordneter Sperrbalken, den der Lokführer öffnen sollte, nachdem er sich zuvor überzeugt hatte, daß die Straße frei ist. Ein anderer Vorschlag sah je 20 m vor und hinter dem Übergang die Aufstellung von Schildern mit der Aufschrift "Maschine halt!" vor. An diesen Stellen sollte der mit Signalhorn ausgerüstete Bremser den Zug verlassen, um festzustellen, ob der Übergang passiert werden konnte. Alsdann hatte der Zug die Landstraße mit Schrittgeschwindigkeit zu überqueren. Dieser zweite Vorschlag wurde im Wesentlichen angenommen, jedoch mit dem Unterschied, daß statt des Bremsers der Heizer die Übergänge mit einer roten Flagge sicherte. Vor dem Überqueren der Überwege war das Achtungssignal zu geben. Das Läutewerk der Maschine war mindestens 60 m vor der Überkreuzung von Landstraßen, Feldwegen und Eingängen von Feldumzäunungen in Tätigkeit zu setzen.

An den Landstraßen waren etwa 200 m vor Überquerung des Gleises Warntafeln mit der Aufschrift "Halt bei Annähern des Zuges" aufzustellen. Von der anfangs vorgeschlagenen Angabe der Fahrzeiten an den Übergängen wurde Abstand genommen, da bei Gewinnung des Rohmaterials Witterungseinflüsse und andere Betriebshindernisse auftreten konnten, die die Einhaltung genauer Fahrzeiten unmöglich machten. Regnete es, so daß die Arbeiter früher nach Hause gehen mußten, konnte am darauffolgenden Morgen nicht rechtzeitig abgefahren werden, weil die Wagen erst beladen werden mußten. Oft kam es vor, daß an einem Tage 36, am anderen Tage 48 Wagen abzufahren waren, wodurch sich ebenfalls die Fahrzeiten verschieben konnten.

An der Kreisstraße Osterwald-Oldendorf stammte die Pflasterung zwischen den Schienen noch aus der Pferdebahnzeit und war im Laufe der Jahre uneben geworden. Das Gleis wurde um 5 cm höher gelegt und der Raum zwischen und neben den Schienen auf je 75 cm Breite mit Reihenpflaster aus Basaltsteinen von 14-16 cm Größe in der ganzen Breite der Straße versehen.

 

Der Betrieb

Der Fahrdienst wurde, außer in strengen Wintern, das ganze Jahr über aufrechterhalten, da auch die Setzer an den Kalköfen das ganze Jahr über arbeiteten. Regelmäßig ruhte der Betrieb während der Nachtzeit. Als Nachtzeit galt

Ausnahmsweise konnte mit Genehmigung des Landrates die Bahn auch bei Nacht betrieben werden. In dem Falle mußte die Lok mit wenigstens einer Spitzenlaterne versehen sein, die dem Lokführer ermöglichte, Fahrzeuge und Hindernisse rechtzeitig zu erkennen.

In den letzten Jahren verkehrten die jeweils aus 8 Wagen bestehenden Züge 4 bis 5mal am Tage. An den Endpunkten, die von der Lokbesatzung als "Bahnhof" bezeichnet wurden, setzte die Lok um. Der Bahnhof Grünenplan war eine dreigleisige Rangieranlage, wo die Lok die beladenen Wagen übernahm und bei Bedarf ihren Wasservorrat ergänzte. Hierzu war ein großer Behälter vorhanden, aus dem mit einem Schlauch das Wasser in die Wasserkästen der Lok gelangte. Danach ging die Fahrt zurück zum Kalkwerk.

Auf dem Werksgelände, wo sich auch der Lokschuppen befand, wurden die Wagen entladen. Die Lok nahm Wasser und gegebenenfalls Kohle, bevor die Fahrt erneut begann. Da die Lokomotiven keinen Tender besaßen, wurde die Kohle in Form von ca. 5 Pfund schweren Briketts im Führerhaus gestapelt. Für eine Fahrt wurden etwa 60 bis 80 Briketts benötigt. In der Nachkriegszeit ging unterwegs so manches Brikett "verloren", das dann in die privaten Öfen der Lokbesatzung wanderte.

Westlich von Oldendorf befand sich schon seit früheren Zeiten eine Ausweiche, die aber nach dem 2. Weltkrieg überflüssig war und 1948 abgebaut wurde.

Obwohl die Personenbeförderung verboten war, wurde sie doch mitunter praktiziert, wenn es darum ging, einen längeren Fußweg zu ersparen. In den Dörfern, wo einer den anderen kannte, war es ein Leichtes, mitgenommen zu werden. Man stieg auf die Bremserplattform und ließ die Landschaft an sich vorbeiziehen. So mochte es oft gewesen sein; man durfte sich nur nicht erwischen lassen. Am 04.03.1901 stellte der Landgendarm der Gendarmerie-Brigade Hannoverscher-Offizier-Distrikt einen zum Grünenplan fahrenden Leerzug, der eine Dienstmagd aus Hemmendorf mitgenommen hatte. Es wurde Anzeige erstattet und darauf hingewiesen, Personenbeförderung aus Sicherheitsgründen zu unterlassen, weil es in solchen Fällen schon bei der Grubenbahn in Wallensen zu Unfällen gekommen ist.

Eine Zeitlang wurde aber ganz legal Personenbeförderung durchgeführt. Die Genehmigung erteilte der Landrat im Einvernehmen mit der Gewerbeaufsicht in Linden am 20.07.1923. Der Grund war die vorübergehende Schließung des Salzhemmendorfer Werkes. Soweit möglich sollten die Ofenarbeiter in Osterwald weiterbeschäftigt werden. Wegen des weiten Weges sollte die Bahn als Transportmittel dienen.

Vom Bahnpersonal ließen sich nur noch die Beschäftigten aus der Nachkriegszeit namhaft machen. Lokführer war vor 1948 Ferdinand Schmidt aus Bensdorf, ab 1948 fuhr Ulrich Urbanke die Lok. Fritz Stille aus Ahrenfeld war Heizer und Klaus Neumann aus Oldendorf fuhr als Bremser mit. Aushilfsweise wurde auch Friedhelm Müller als Heizer eingesetzt. Im Jahre 1952 verließ U. Urbanke die VOSKA und K. Neumann fuhr zeitweilig die kleinere der beiden Dampfloks. Als Bremser fuhr Alfred Kreft. Nach dem Einsatz einer Leihlok wurde F. Stille Lokführer, K. Neumann war wieder Heizer und A. Kreft blieb Bremser.

Nach der Umstellung auf Diesellok arbeiteten die ehemaligen Besatzungen der Dampflokomotiven nun in den Ring- und Kammeröfen des Osterwalder Kalkwerkes. Lokführer Mümme fuhr nun die Diesellok. A. Kreft und Georg Baumgarten waren als Bremser tätig.

Bei Unfällen, die sich im Laufe der Zeit ereigneten, waren besonders die Bremser gefährdet. Beim Rangieren geriet der Bremser Alfred Kreft zwischen die Puffer zweier Wagen. Trotz eines gequetschten Beines verlief der Unfall noch glimpflich. Etwa 1956 verunglückte Georg Baumgarten auf ähnliche Weise. Beim Rangieren von "Zuckersteinen" - kindskopfgroße Kalksteine für die Zuckerfabriken - kam er ebenfalls zwischen die Puffer und verlor ein Bein.

 

Die Betriebsmittel

Zur Pferdebahnzeit besorgten den Betrieb zunächst 7, ab 1890 noch 4 Pferde. Die erste Dampflok trug den Namen OSTERWALD und wurde 1899 von Hanomag unter der Fabriknummer 3410 erbaut. Sie besaß 12 t Dienstgewicht, 6 t Achsdruck, einen Radstand von 1650 mm und eine Zugkraft von 4007 kg bei 60 PS Leistung. Diese Maschine konnte auf einer Steigung von 1:50 eine Zuglast von 40 t befördern. Das Gewicht eines leeren Wagens betrug 1.25 t, das eines beladenen 6 t, so daß die Maschine höchstens 6 beladene oder 30 leere Wagen ziehen konnte. Mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse wurde die Zahl der unbeladenen Wagen auf maximal 12 begrenzt. Zumindest bei Talfahrt äußerte der Landrat mit Schreiben vom Juni 1901 keine Bedenken für die Beförderung von Zügen mit 12 beladenen Wagen, zumal die Leistungsfähigkeit der Maschine hierbei noch nicht ausgenutzt war. Wenn 50 % der vorhandenen Räderpaare gebremst wurden, lag keine Gefahr vor. Dies galt allerdings nur für die Fahrten vom Grünenplan bis zum Saaleufer; von dort ab sollten die Züge wie bisher nur 6 beladene Wagen umfassen, weil die Lok mehr Wagen auf der Steigung zum Kalkwerk (1:35.5) nicht ziehen konnte.

Für die täglichen Transporte wurde nur eine Lok, in der Regel die kleinere - die Lok OSTERWALD - benötigt. Nur bei umfangreichen Steintransporten fuhren beide Maschinen im Wechsel. Für beide Loks werden als Ausmusterungsdaten die Jahre 1952 bzw. 1954/55 genannt. Der Lokführer Kurt Feig, der die Diesellok des Salzhemmendorfer Werkes fuhr, erinnerte sich, daß eine der beiden Loks zuletzt auf dem Steinbruchgelände rangiert haben soll.

Die zweite Lok wurde 1904 erbaut, wird aber in den Übersichten erst ab 1913 erwähnt. wonach sie also gebraucht erworben wurde. Angaben über ihre Herkunft sowie genaue Herstellerdaten fehlen. Nach Aussagen des Bremsers Klaus Neumann soll es eine Borsig-Lok gewesen sein. Sie besaß ein Dienstgewicht von 13.8 t, 6.9 t Achsdruck und 1600 mm Achsstand. Ihre Zugkraft betrug 5065 kg bei 80 PS Leistung.

Als Ersatz für die beiden oben genannten Maschinen wurde von der Kleinbahn Hoya-Syke-Asendorf die Lok 30 (Maffei 3863/1913) ausgeliehen. Diese war ebenfalls eine Bn2t-Maschine und hatte eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Aus Heeresbeständen gelangte sie zur Deutschen Reichsbahn, die sie an die Kleinbahn HSA verliehen hatte. Mit Schreiben vom 02.03.1948 an das RZA Göttingen äußerte die Kleinbahn die Absicht, die Lok zu erwerben. Es folgte eine Zwischenuntersuchung des Kessels im September 1948.

Mit dem Kalkwerk Osterwald wurde am 27.02.1954 die Vereinbarung getroffen, die Lok leihweise gegen eine Gebühr von 20 DM pro Werktag dem Kalkwerk zu überlassen, sofern die Abmessungen (Länge, Höhe, Breite) den Anfordernissen des Werkes entsprachen. Dem Werk wurde die Maschine gleichzeitig zum Kauf angeboten. Vorbehaltlich des endgültigen Verkaufspreises wurde zugesagt, die Leihgebühr - die das Kalkwerk noch herunterdrücken wollte - auf den Kaufpreis anzurechnen. Obwohl das Kalkwerk Osterwald beim Niedersächsischen Landeseisenbahnamt nach einer zweiten, ähnlichen Lok fragte, hatte die Lok 30 am 16.06.1954 ihren letzten Einsatz auf der Steinbruchbahn. Danach war sie abgestellt und wurde am 09.09.1954 nach Hoya zurückgesandt. Dort war die Lok untersuchungspflichtig abgestellt und sollte anschließend einer Wasserdruckprobe mit äußerer Besichtigung unterzogen werden. Dazu kam es dann aber nicht mehr. Am 25.06.1955 wurde der LfB in Hannover von der kurz zuvor erfolgten Verschrottung der Lok 30 unterrichtet.

Untenstehend die Daten des Lokomotiv-Kessels:

Feuerberührte Heizfläche der Feuerbüchse2.23 qm
Feuerberührte Heizfläche der Siederohre20.2 qm
Rostfläche0.475 qm
Kesseldruck12 atü
Wasserberührte Heizfläche der Feuerbüchse2.35 qm
Wasserberührte Heizfläche der Siederohre22.6 qm
Heizrohrdurchmesser40/44.5 mm

Die 1931 erbaute Verbrennungslok wurde nachweislich an das Kalkwerk Osterwald geliefert, wo sie wahrscheinlich nur auf dem Werksgelände eingesetzt wurde. Eine Zuordnung der übrigen Lokomotiven zu den einzelnen Werken ist nicht mehr möglich. Da das Werk Osterwald erst ab Mitte der 50er Jahre auf der Strecke zum Grünenplan auf Diesellokbetrieb umstellte, ist anzunehmen, daß die Lokomotiven der Baujahre 1937, 1941 und 1950 an das Kalkwerk Salzhemmendorf geliefert wurden. Auch ist nicht vollständig bekannt, wohin die Lokomotiven nach Stillegung der Kalkwerke gelangten. Lediglich die FNr. 1548 ist nachweislich noch vorhanden. Sie befindet sich heute im Besitz des Lokalbahn-Vereins Groß Schwechat in Österreich.

In den letzten Jahren kamen zweiachsige Diesellokomotiven zum Einsatz, die vom Personal "Kaffeepötte" genannt wurden. Die insgesamt vorhanden gewesenen Lokomotiven sind aus der nachfolgend wiedergegebenen Liste ersichtlich.

Für die Steintransporte wurden Kastenwagen verwendet, deren Zahl zunächst 21, ab 1901 36 Fahrzeuge umfaßte. Sie waren 3.5 m lang, 1.5 m breit und faßten 5 t Kalksteine. Da die Wagen einen festen Aufbau besaßen, mußten sie bei den Kalköfen von Hand entladen werden. Die Steine wurden dann mit Schubkarren in die Ofenhäuser gefahren. Auf die gleiche Art ging man auch im Salzhemmendorfer Kalkwerk vor.

Vereinigte Osterwald-Salzhemmendorfer Kalkwerke Spur:1000 mm
Stand:O.A./LV
#Nr.HerstellerdatenBauartTypLstg. (PS)Gew. (t)Vmax (km/h)Bem.
  Hanomag3410/1899Bt 60.012.0 a)
  Borsig ?..../1904Bt 80.013.8 b)
 30Maffei3863/1913Bt    c)
  ?..../1931Bdm 12.04.0  
  Schöma262/1937Bdm 20.04.50 d), LV
  Schöma582/1941Bdm 30.0  e), LV
  Schöma1191/1950Bdm 20.0  d), LV
  Schöma1390/1952BdmLO 25 3.75 e), LV
  Schöma1548/1954BdmLO 8082.012.75 f), LV
  1. Name: OSTERWALD/ 1952 ausgemustert

  2. 1913 gebraucht gekauft/ 1954/55 ausgemustert

  3. 1954 leihweise ex HSA (30)/ 1955 verschrottet

  4. neu an VEREINIGTE OSTERWALD-SALZHEMMENDORFER KALKWERKE, OSTERWALD-BAHNHOF

  5. neu an VEREINIGTE OSTERWALD-SALZHEMMENDORFER KALKWERKE, OSTERWALD-SALZ-HEMMENDORF

  6. neu an VEREINIGTE OSTERWALD-SALZHEMMENDORFER KALKWERKE, OSTERWALD-SALZ-HEMMENDORF/ POROMKA OHG, BECKUM/ C. MERSMANN, BECKUM (600 MM) 60vh/ ALPINES HARTSCHOTTERW., SENDEN 66vh/ 1985 an DGEG, Viernheim (J. SCHEURICH, MANNHEIM)/ 1989 an Verein Lokalbahnen, Gr. Schwechat/Österreich 95vh

Zum Wagenbestand gehörten ferner 2, später 5 Kastenkipper von ebenfalls 5 t Ladegewicht. Sie dienten dem Abtransport von Abraum und Schrott. Letztere fanden bei der Instandsetzung der Gleise Verwendung. Für 1915 nennt die Statistik sogar 30 Kastenkipper. Der Bestand ging aber bald wieder zurück, wahrscheinlich durch Abgabe der Wagen an das Salzhemmendorfer Werk. 1919 sollen dort 50 derartige Wagen vorhanden gewesen sein. Für Bahnunterhaltungsarbeiten war ab 1913 eine einfache, leichte Arbeitslore vorhanden; ab 1932 werden zwei derartige Fahrzeuge genannt. Schließlich gab es noch eine Anzahl Kipploren für 600 mm Spurweite, die betriebsinternen Zwecken dienten. So war z.B. in den letzten Jahren vor Stillegung der Kalkwerke unterhalb einer Abraumhalde auf Salzhemmendorfer Seite ein provisorisches Feldbahngleis verlegt, auf dem mit einigen Loren der Abraumtransport besorgt wurde.

 

Das Ende

Nach Stillegung des Kalkwerkes im Jahre 1957 wurde die Bahn abgebaut. Auf dem Steinbruchgelände waren die Gleise restlos verschwunden. Nur von den Seiltrommeln im Bremshaus hingen noch die Drahtseile herunter. 1972, also 15 Jahre nach der Stillegung, war das Bremshaus schon arg zerfallen. Vom Bremsberg war nicht mehr viel vorhanden. Er endete bei einem Wasserdurchlaß (noch mit Geländer versehen!) vor einer Viehweide. Von der Trasse zum Kalkwerk kündeten noch lange Zeit Bahndämme und Reste von Brücken.

 


© BE 1996